Auguri! Ein Geburtstag in den küstennahen Weinbergen Kampaniens

Cantine Astroni, Campi Flegrei in der Nähe von Napoli und die Rebsorte Falanghina sind die Keywords!

Die Cantine degli Astroni, Erzeuger großartiger Weißweine aus der autochthonen Falanghina-Traube, haben ihren 25. Geburtstag gefeiert. Unter anderem mit einer Vertikale, die zeigt, dass auch Italiens Weiße – Top-Qualität vorausgesetzt – bestes Reifepotenzial besitzen.

Bei der Ankunft im Hafenstädtchen Pozzuoli, das südwestlich an Neapel angrenzt, sind wir, ein Grüppchen von Journalisten aus aller Welt, die gekommen sind, um mit dem Weingut Astroni seinen 25. Geburtstag zu feiern, fast erschlagen vom Gestank nach faulen Eiern, der in der Luft liegt. Das kommt hier immer wieder vor, wenn der vulkanisch aktive Boden der Campi Flegrei seine Pupser ausstößt. Die Campi sind ein sehr bewegtes Terrain, der Boden hebt und senkt sich und stößt aus zahlreichen Fumarolen schwefelige Dämpfe aus. 
Am nächsten Morgen hat sich der Schwefelgeruch zum Glück verflüchtigt, mit dem Weinverkosten wäre es sonst wohl etwas mühsam geworden. Alles wieder ganz normal, so scheint es. Die Bewohner Pozzuolis haben die Ruhe weg. Mag die Weltpresse noch so aufgeregt über die neuesten beunruhigenden Entwicklungen im Untergrund berichten und gruselige Szenarien von Ausbrüchen infernalischen Ausmaßes skizzieren, die Winzer und Bauern lassen sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Auch wenn es seit Monaten mehr brodelt als sonst, Tag für Tag Dutzende kleinere Beben in und um Pozzuoli die Erde erzittern lassen und sich der Boden auf besorgniserregende Weise hebt, geht der Anbau weiter wie bisher.

Weinberge und Naturpark im Krater

Die vulkanischen Aktivitäten haben ja auch ihr Gutes. Der vor rund viertausend Jahre entstandene Astroni-Krater ist heute ein idyllisch anmutender, mit Eichenwäldern bewachsener Naturpark, Paradies für zahlreiche Vogelarten und seltene Schmetterlinge. 
Und die Weine des nach dem Krater benannten Weinguts Cantine degli Astroni profitieren von den vulkanischen Böden, die ihren vornehmlich aus Falanghina gekelterten Weißweinen Tiefe und Komplexität verleihen. 
Bevor es ans Verkosten geht, referiert Kellermeister Gerardo Vernazzaro erst ein wenig über die Geologie der Campi Flegrei im allgemeinen und der 25 Hektar umfassenden Anbaufläche des Weinguts im besonderen. Aus mehr als siebzig eruptiven Herden, so lernen wir, entweicht durch unzählige Fumarolen Dampf aus tieferen Erdschichten. Auch, dass die Böden hier für die Reblaus so ungemütlich sind, dass die Reben „auf freiem Fuß (a piede franco)“ stehen dürfen, also nicht auf amerikanische Unterlagen gepfropft sein müssen.

Falanghina Campi Flegrei ist eine junge DOC

Die DOC Campi Flegrei, gegründet vor 30 Jahren, gehört zu den jüngsten in Italien und umfasst Weiß- und Rotwein, Rosé, Schäumer und Süßweine der Campi Flegrei einschließlich der vorgelagerten Insel Procida. Der Weiße hat aus 50 bis 100 Prozent Falanghina zu bestehen, der Rote aus mindestens 50 Prozent Piedirosso sowie mindestens 20 Prozent Aglianico gewonnen sein. 
Die längste Zeit galten Weißweine (nicht nur) in Italien und italienische Weiße überhaupt als schnell zu konsumierende Sommerweinchen, gern euphorisch als „Terrassenweine“ bezeichnet, die oft nur wenige Monate nach der Lese auf den Markt kommen und sofort getrunken werden. Jahrgang 23 ist das, was im Moment mehrheitlich ins Glas kommt. Nur bei monumentalen Ausnahmeweinen wie dem Trebbiano d’Abbruzzo von Valentini wurde schon immer anerkannt, dass ihnen ausgiebige Reife gut bekommt. 
In den letzten Jahren aber entdecken Italiens Winzer und Sommeliers zunehmend, dass die reifen Weißen unter Umständen noch mehr Freude bereiten können als die knackig-frischen Jungspunde. Beim Vigna Astroni, dessen Trauben aus einem einzigen, terrassierten Weinberg stammen, wäre es jedenfalls Verschwendung, sie kurz nach der Abfüllung gleich alle auszutrinken. Ideal: sich mindestens zehn Flaschen eines Jahrgangs hinzulegen über die nächsten zehn Jahre verteilt Jahr zu probieren. Freudige Überraschungen garantiert!

Falanghina-Vertikale

Die ausführliche Vertikale des Lagen-Falanghina Vigna Astroni erbringt Erfreuliches und Überraschendes. Vorneweg: Intensiv mineralisch-salzig ist jeder einzelne von ihnen, bei allen lässt ausreichend Säure die Weine frisch wirken, ohne sich in den Vordergrund zu stellen.

Der Vigna Astroni aus der Lese 2021 präsentiert sich in zartem Hellgold, jugendlich und duftig, in der Nase dominiert anfangs nur Birne, hinzu kommen dann Pflaumenblüten, Zitrusnoten, Pfirsich und Aprikose. Bei 2021 ist die Primärfrucht bereits Geschichte. Mineralisch und rauchig ist er, hält sich ansonsten in dem Stadium mit Aromen zurück. Der 2019er kommt kompakt und kräftig rüber, erst nach einer Weile zeigt sich ein leichter fruchtiger Hauch. Ein großes, vielschichtiges Vergnügen der 2018er, der strahlend hellgold funkelt. Bei ihm beginnt sich die tropische Sekundärfrucht anzudeuten, Papaya vor allem, darunter röstige und rauchige Noten, kraftvoll. 
Der 2017er duftet anfangs intensiv nach Blüten, etwas später kommen weißer Pfirsich und zarte tropische Fruchtnoten von Maracuja hinzu. 2016 leuchtet in kräftigem Gold, die Aromatik ist breit und ausladend, der wird sich gut neben richtig kräftigem Essen behaupten können. Schon optisch präsentiert sich der 2015er recht jugendlich, er ist heller als sein Nachfolgejahrgang. Vielschichtig und ausbalanciert, zwischen reifen Fruchtnoten und Gewürzen changierend, mundfüllend und mit schöner Länge.
Der 2014er verführt mit zarten Zitrusschalennoten und präsentiert sich im Mund besonders rund und cremig. Der 2013er ist von kräftigem Gold, sehr kompakt, ohne spezifische Fruchtnoten. Angenehmer, herber Duft von Kräutern, dazu balsamische Noten.

Und zu guter Letzt: Piedirosso, der authochthone Rote der Campi Flegrei!

Neben dem gewichtigen Falanghina bleibt der von Haus aus leichtfüßige rote Piedirosso naturgemäß zweiter Sieger. Nicht ohne Grund bekommt der DOC-Piedirosso als Verstärkung immer noch einen Anteil Aglianico mit. Für die Piedirosso von Astroni gilt: einfach, aber nicht banal; leicht, aber auch mit Tiefgang. Die Alterung verträgt nicht jeder Jahrgang so gut wie der Falanghina. Durchaus vergnüglich aber beispielsweise der 2015er, bei dem anfänglich fruchtig-frische Noten in sahnig-cremige übergehen.   

FOTO: Blick über die Campi Flegrei und die Küstenlinie in Richtung Neapel mit dem majestätischen Vulkan Vesuv.