Rufina Chianti - Die eigene Geschichte neben dem Classico!

Reden wir über Terraelectae oder nicht?

Foto ganz oben: Ein unbekannter Winzer, der Sangiovese aus hohen Lagen wie in Rufina erzeugt. Foto oben: Anna im Castello di Trebbio mit der berühmten „winery Dog“. Foto unten: Handzeichnung von Marchese Gerardo Gondi der Eckpfeiler des Anbaugebietes Rufina.

Rufina ist nicht die 12. UGA des Chianti… (Anmerkung: UGA - genaue geografische Bezeichnung für die Hügel, wo Sangiovese im Chianti angebaut wird). Im Chianti des Classico wetteifern mehr als 250 Weingüter in 11 Gemeinden zwischen Florenz und Siena darum, den eigenen Namen, Ihre Erzeunignisse bis hin zur Gran Selezione sowie die eigenen Ferienwohnungen bekannter zu machen. Unterstützt werden sie seit 40 Jahren von einem starken Konsortium. 35 Mill. Flaschen jährlich sind es, als Botschafter des Gallo Nero in Kopf, Herz und Munde zu gelangen. 
Dagegen mutet das beschauliche Anbaugebiet Rufina vor den Toren Florenz gelegen, geradezu winzig an. Rund ein dutzend Winzer erzeugen hier einen beachtlichen Chianti-Wein, der von den kühlen bis sehr kühlen Lagen oberhalb von Pontassieve und Rufina, von Dicomano bis Pelago geprägt ist. Cool Climate Sangiovese! Mengenmäßig dominiert Marchese Frescobaldi mit seinem Nippozzano Riserva Rufina und dem benachbarten Pomino das Angebot. Lamberto Frescobaldi ist für fast die Hälfte des Rufina verantwortlich, insgesamt spricht man von 2.7 Mill. Flaschen jährlich, die als Rufina Chianti verkauft werden. 

Rufina - auch von traditionsreichen Weingütern

Historische Größen wie die Tenuta Selvapiana der Familie Giuntini-Antinori mit ihrem Adelsstammbaum bis ins Mittelalter, die Tenuta Bossi der Marchesi Gondi mit ihrem prächtigen Palazzo im Zentrum von Florenz, das monumentale Castello del Trebbio der Familie Casadei, die historische Tenuta Travignoli der Familie Busi, und die untadelige Fattoria Colognole des Adelsgeschlechtes von Cesare Conte Spalletti-Trivelli ... Sie alle stehen für lange oenologische Erfahrung und qualitätsvollen Rufina. Die Fattoria Lavacchio, I Veroni, Fattoria Il Capitano und die kleinen Betriebe Frascole, Il Lago, Il Balzo, Fattoria Doccia, Borgo Macerato sind ebenfalls sehr zu empfehlen. Biostandards sind fast durchgängig vorhanden; mehr als die Hälfte der Betriebe sind bereits zertifiziert. 
Wie der aktuelle Präsident Federico Giuntini ausführt, hat man sich mit den Verbänden von Carmignano (Capezzana u.a.) und Val d’Arno di Sopra (Petrolo, Sette Ponti u.a.) zusammen getan, um in der Promotion mehr Schlagkraft zu besitzen.
Abgrenzen möchte man sich natürlich - wie auch das Classico - von der großen Menge des DOCG Chianti ohne genauerer Herkunftbezeichnung. Das ist ein zweischneidiges Schwert, denn für viele Konsumenten im Ausland ist Chianti der Inbegriff des Rotweins aus der Toskana. Zusammen mit der Marke ist das dann Garantie genug; es bedarf keiner zusätzlichen, geografischen Zusatzbezeichnung auf dem Etikett. Andererseits verkaufen die dortigen Weingüter ja mehr Rufina als Chianti, weshalb einige gern den Namen Chianti vom Etikett getilgt haben wollten; doch das ist schwierig.

Terroir-Charakter spürbar - Die Konsequenz: Terraelectae

Um den Sangiovese-Charakter der verschiedenen Lagen zu verstehen, ist es hilfreich, sich die Lage der jeweiligen Weinberge vor Augen zu führen. Vom Norden her und an der linken Flussseite wird das Klima langsam Richtung Süden und zur rechten Flussseite hin wärmer, zeigen die Weine sich von der säurebetonten Seite bis hin zum reiferen Charakter mit kräftigerem Körper. 

Im Grunde genommen braucht es gar keinen Spitzenwein, um das sympathische Gebiet bekannter zu machen. Doch mit dem Schachzug des Classico und seiner Gran Selezione waren die Winzer in Rufina quasi unter Zugzwang und haben sich nach langem Abwägen für das i-Tüpfelchen im Sinne des Besten aus den Weinbergen des Rufina den Namen Terraelectae (TE) einfallen lassen. 

Mit dem sehr bekannten Rotwein Montesodi von Frescobaldi, der eine Zeit lang aus dem Rufina-Verband ausgeschieden war und als IGT verkauft wurde, hat der Spitzenwein des Rufina ein starkes Zugpferd. Mengenmäßig beachtlich ist auch der Wein Cuona des Weingutes I Verroni. Der heutige Besitzer des Weingutes, der Florentiner Notar Lorenzo Mariani hat konsequenterweise seine Riserva, die den Kriterien der TE entsprochen hat, komplett in den Stand einer Terraelectae erhoben. Die anderen Betriebe tasten sich mit 2.000 - 3.000 Flaschen so langsam an das Projekt heran, das mit dem 2018er gestartet wurde und erst in diesem Jahr offiziell im Ausland vorgestellt wurde. Rund ein dutzend verschiedene TE-Weine gibt es heute, die auf jeden Fall eines bewirkt haben. Sie haben die Winzer noch enger zusammen geschweißt, und doch geht jeder in der kleinen Gruppe seinen Weg, dabei tragen alle das Wort RUFINA im Herzen. 

Die Faszination Sangiovese lebt in den Weinen!

Rufina bildet das Gegenstück zum warmen Colli Senesi und - noch extremer - den Weinen aus dem heißen Montalcino bzw. Montepulciano am anderen Ende des Chianti-Gebietes (Nordost Rufina gegenüber Südwest Montalcino) und erzeugt unter diesen Voraussetzungen natürlich einen eleganten, wenig sperrigen Weinstil, der heute voll im Trend liegt! Viel mehr noch als die Typizität des Weines ist es der Charakter der hügeligen Landschaft, die Ruhe auf den kleinen Strässchen (zugegeben mit etlichen Schlaglöchern), die grüne, waldreiche Natur. Das alles ist mit einer erholsamen Schwingung zum Seele-baumeln-lassen verbunden. Und von Sieci oder Pontassieve sind Sie mit dem Zug in keiner halben Stunde im Trubel von Florenz. 

Tourismus boomt - Rückzugsort im Grünen, doch nahe an der Metropole

Anna vom Castello di Trebbio arbeitet seit mehr als 30 Jahren in diesem hochwertigen Tourismus-Segment und kann heute fast 50 Betten in kleinen Wohneinheiten in unmittelbarer Nachbarschaft ihres historischen Castello anbieten. Für sie ist es die Trumpfkarte in einem Wettbewerb, der von Rufina nicht mit Marketingdollars für Google oder Weinmagazine zu gewinnen ist.

Einzig das Angebot an Betten könnte nach meinem Empfinden größer sein, denn die Weingüter wie Lavacchio, Trebbio, Bossi oder Colognole sind übers Jahr sehr gut gebucht und können die Nachfrage kaum befriedigen.

Ob mit dem nachhaltigen Tourismus, der Historie von 6 Jahrhunderten, dem Weitblick eines Interlektuellen, der Akribie eines Perfektionisten, der Freude am Austausch und der Konfrontation mit anderen Ideen… Diese kleine Region bietet soviel ursprüngliches und authentisches, das einen einfach bewegt und glücklich zurück lässt. Es ist ein Rückzugsort der besonderen Art, der guten Schwingung. Holen Sie sich was davon nach Hause…