Das Collio von 2023 ist nicht das Collio von 2013

Reflektionen zum Terroirwein Collio Bianco

Foto oben: Treffen am runden Tisch - Langlebige Collio Bianco Weine von Primosic (Klin 2013), Russiz Superiore (Disóre 2016), Borgo Conventi (Sauv 2013), Castello di Spessa (San Serff 2013) und Livon (Manditocai 2016)

10 Jahre vergehen fast unbemerkt im Weinland Friaul. Gefragt sind aus Italien Brunello, Amarone, Lugana: dort spielt die Musik. Und im Collio? Dem kleinen und hochwertigen Weißweingebiet innerhalb der Region Friaul ist vieles beim Alten geblieben, beim Alt-Bewährten wohlgemerkt! Denn die Winzer des Collio sind technisch auf dem neuesten Stand, haben moderne Kellereien, sind als tüchtige Weinbauern bekannt. Die Weine könnten gefragter sein, aber es hat den Anschein, dass dennoch jeder so seine passenden Absatzwege gefunden hat.

Der Generationswechsel ist auch im Collio in etlichen Weingütern im Gange. So arbeiten Erfahrung und neue Ideen Hand in Hand. Mehr als 150 Weingütern bilden das Konsortium, indem lediglich ein Dutzend Weingüter wie Fantinel, Ronco dei Tassi oder Borgo del Tiglio keine Mitglieder sind. Wie strukuriert sich das Angebot? Mit Scolaris und der Cantina Produttori gibt es lediglich zwei Weingüter, die mehr als 500 TSD Flaschen Collio erzeugen. Mit Venica, Marco Felluga, Livon und Giacomo Montresor (! Aus dem Veneto) erzeugen immerhin vier Betriebe mehr als 300 TSD Flaschen. Auf mehr als 150 TSD Flaschen Collio pro Jahr kommen Livio Feluga, Fiegl, GIV (Formentini), Gradis`ciutta, Collavini und Fantinel. Hiermit sind schon die Betriebe mit einer deutlich spürbaren Marktdurchdringung genannt. Einige Betriebe wie Jermann nutzen IGT bzw. die neue DOC Friuli für ihre Weine; etliche Weingüter besitzen auch im angrenzenden Isonzo Weinberge, die sie zusätzlich zum Collio abfüllen und vermarkten. 

Warum ist das Interesse am Collio der neunziger Jahre noch nicht wieder zurückgekehrt? Ein Manko ist sicher, dass es anders als in Südtirol keine ICON-Weißweine jenseits der 70-80 € EVP gibt, obwohl es zahlreiche Weinetiketten gibt, die mit großer Anerkennung von den Sommeliers und Weinfreaks aufgezählt werden.

Gemeinsame Initiativen von Seiten der Winzer gibt es vereinzelt, so wie die Vereinigung „Rete dell Pinot Bianco“, in der sich Russiz Superiore, Castello die Spessa, Livon, Pascolo und Toros für die Rebsorte stark machen. Wie allseits bekannt, gibt es bekanntlich viele, vielleicht zu viele Rebsorten im Collio. Friulano, Ribollla und Malvasia auf der einheimischen und Chardonnay, Sauvignon, Pinot Grigio sowie Pinot Bianco auf der internationalen Seite. Mit knapp 15% spielen die Roten nach wie vor eine untergeordnete Rolle, anders als in den Colli Orientali oder dem Isonzo.

Wo ist die Innovation?

Nichts Neues sind die Streitereien, welche Sorten für den Terroir-Wein Collio Bianco eingesetzt werden sollten. Eine Gruppe von Winzern schreibt sogar aufs Etikett „solo da uve autoctono“. Robert Princic vom (in Menge wie Reputation) aufstrebenden Weingut Gradisciutta - eines der wenigen Bioweingüter der Gegend übrigens – hat da seine eigene Haltung. Robert macht aus den einheimischen Sorten eine Collio Riserva und aus den internationalen Sorten eine Weitere, den Collio Bratinis. 
Andere Winzerpersönlichkeiten wie Marko Primosic erzeugen ihren Collio Bianco  (KLIN) womöglich aus internationalen und einheimischen Sorten, so genau will er das gar nicht sagen…..
Marko ist ein erfahrener und geistreicher Kenner der Geschichte des Weinbaues im Collio. Schon bei meinem ersten Besuch im Jahre 2000 - zusammen mit seinem Winzerfreund Marco Felluga – brach er eine Lanze für den Terroirwein Collio Bianco. Ähnlich wie der Collio Bianco Disóre von Russiz Superiore wird der Klin bereits seit den 80iger Jahren erzeugt. Nach den guten neunziger Jahren für das Collio kämpfte der Bianco um seine verdiente Beachtung. Die Aufmerksamkeit hierauf scheint mit dem Hype um die großen Rotweine Italiens aus dem Piemont und der Toskana und dem darauffolgenden Amarone-Boom verloren gegangen zu sein.

Wann sollte ein Collio Bianco in den Verkauf kommen? 

Aktuell sind etliche Weingüter bereits im April nach der Ernte (z. B.Colle Duga oder Raccaro) mit ihrem Terroirwein am Start, und verhindern so aus meiner Sicht die Herausstellung gegenüber den Rebsortenweinen. Und haben sicher ihre Gründe dafür.
Doch warum gelingt es nicht, gemeinsam diesen Terroirwein erst nach 3 Jahren zu lancieren? Alle könnten dann 6 € mehr pro Flasche verlangen, man könnte ihm mit dem Anterprima Collio eine gebührende Bühne bieten. Haben einige Winzer denn kein Vertrauen in die Entwicklungsfähigkeit ihres Terroirweines? 
Auch die Diskussion, ob nur aus einheimischen Sorten oder eben nicht, halte ich für unnötig. Jeder sollte einsetzen können, was er möchte (natürlich im Rahmen der zugelassenen Rebsorten) und danach zeigt allein die Zeit, was ein echter und langlebiger Terroirwein ist. Nach einstimmiger Aussage der Winzer verliert sich ohnehin nach einigen Jahren der dominante Rebsortencharakter und der Terroirausdruck der „ponca“ bzw. „Marne“ gewinnt an Bedeutung. 
Vorbild kann die Initiative von Castello di Spessa sein, die einen Bianco (und Rosso) sogar erst nach 10 Jahren freigeben, in kleinen Mengen zwar, doch ist der San Serff ebenso eine Werbung für das Terroir Collio - wie auch der Rebsortenwein von Borgo Conventi Sauvignon blanc 2013 -, der zwar nicht auf Langlebigkeit ausgelegt war, dennoch alle Teilnehmer des runden Tisches positiv überraschte. 

Ein spannender Ansatz für den Terroirwein ist zweifelsohne der gemischte Satz. Primosic erzeugte seinen Cuvee KLIN bis zum Jahre 1996 als finalen Blend vor der Abflüllung. Danach hat Marko den sicher kniffligeren Weg des „Uvaggio“ gewählt, weil es dem Terroirwein mehr entspricht. Er erntet alle Sorten im gleichen Zeitraum/Tag und vergärt die Sorten dann gemeinsam. Früher wie heutzutage ist beim Gemischten Satzt die Festlegung des besten Erntezeitpuntes schwierig, andererseits ist die frühzeitige Harmonisierung der unterschiedlichen Sorten im Weinberg und der geringere Arbeitsaufwand im Keller ein Vorteil.

Wie sieht mein Fazit aus?

Collio Bianco sollte als Riserva nach 3 Jahren lanciert werden, wobei die Rebsorten nicht genannt werden müssen (sorgt für Interesse). Der Ausbau in Holz, Edelstahl oder Zement ist frei wählbar. 

Glücklicherweise besitzt das geografisch kleine Collio eine hohe Dichte an Spitzenwinzern, damit Dutzende Etiketten von Format wie den Ronco della Chiesa (kleines Quiz: Von wem und welche Rebsorte?) und ein Wein vom kleinen Weingut Raccaro in Cormons wurde von einem Weinführer als bester Weißwein Italiens ausgezeichnet. 

Mein Petitum:

Weißweinfreunde aller Welt schaut ins Collio! Findet Zugang zu diesem eigenständigen und wertvollen Weinstil!

Winzer habt Vertrauen in Euer Schaffen, setzt eine starke Aussage mit Eurem Terroiwein und hechelt nicht dem Markt hinterher!

Nach meinem kurzen Besuch (nach vielen Jahren) verspüre ich eine große Motivation für eine Verkostung der Terroirweine des Jahrgangs 2019/2018!

Warum investieren nicht mehr Unternehmen im Collio?

Mit Borgo Conventi im Besitz von Villa Sandi, Conte Attems von Frescobaldi, Conte Formentini von GIV und natürlich Jermann von Marchese Antinori gibt es einige Beispiele für Investitionen von außen, die eine Spur legen. Und sicher ist das Interesse an etablierten Marken wie Venica oder Collavini vorhanden. Das Collio sei vergleichsweise günstig, die Landpreise niedrig, das Terroir einzigartig und der Tourismus besäße jede Menge Potenzial. Da ist nichts gegen einzuwenden!
Dies zeigen die treuen Österreicher seit Jahrzehnten - und halten diesen wunderbaren Fleck Erde fast geheim. Mag sein, dass in naher Zukunft etliche Weintouristen vom Trubel und den teuren Preisen in Südtirol die Schnauze voll haben und sich ins Collio (das benachbarte Slowenien) und den schmalen Küstenstreifen, den Karst, bis zur Multikultimetropole am Meer, Triest, verlieben.

Foto unten: Der Borgo Gradisciutta in der Gemeinde San Floriano. Robert Princic bietet seit 2022 Wohlfühlen im Collio an mit 12 geschmackvoll gestalteten Appartments. In einer halben Stunde sind Sie in Duino am Meer bzw. in den julischen Voralpen.