Wein aus Franken (2) - Das Eckige muss ins Runde!

Zweiter Teil des Erfahrungsberichtes über die fussballstörrischen Franken

Große Weine entstehen, sie werden nicht gemacht!

Was macht eine Weinpersönlichkeit aus, einen großen Wein? Sicher Substanz, Konzentration, von Säure, Extrakt, Rückgrat ebenfalls einiges. Große Weine zeichnen sich durch ihren Charakter und ihre Entwicklungsfähigkeit aus. Nach dieser Reise lässt sich auf jeden Fall feststellen: in Franken gibt es solche Gewächse.

Was bleibt, ist die Traube; was bleibt, ist die Lage; was bleibt, ist die Handschrift des Winzers. Dabei ist der Jahrgang so etwas wie die Größe oder die Formatierung der Schrift - mal fett, mal kursiv. Der Schrifttyp bleibt derselbe und changiert nicht zuletzt mit dem Alter des Weines. So zeigen diese Persönlichkeiten geprägt durch die Launen der Natur – und Wein ist und bleibt ein Naturprodukt (!) - eine Vielzahl von Facetten, die Sorte wie Lage in unterschiedlichem Licht erscheinen lassen, wie auch verschiedene Ansatzpunkte zum Genuss – für sich oder in Kombination mit Speisen. Dabei kann hingestellt sein, ob es singuläre Momente sind, wie eine 1994er Silvaner aus dem Stein oder eine Riesling-Phalanx aus dem Centgrafenberg. Große Weine faszinieren durch ihre Komponenten, die im Weinberg entstehen.

Silvaner – ja bitte!

Sehr erfreut haben wir zur Kenntnis nehmen dürfen, dass eigentlich alle ernst zu nehmenden Winzer sich zu Frankens Rebsorte Nr. 1 dem Silvaner bzw. Sylvaner bekennen. Mit einem Anteil von bis zu über 50 % fällt dieses Bekenntnis sehr eindeutig aus.
Die Variante des Blauen Silvaners ist dabei mehr nur eine Spielart, als eine nennenswerte Größe – zumindest von der Anbaufläche her gesehen.
Was für die Mosel der Riesling ist für Franken der Silvaner. Er ist so dominant, dass er auch nicht durch die zwischenzeitlich fast prominentere „Brot und Butter“- Sorte Müller-Thurgau nachhaltig be- bzw. verdrängt werden konnte. Die o.g. Vielgeschmähte hat hier in Franken nie die Einbußen erlebt, wie in anderen deutschen Anbaugebieten. Vielleicht liegt es sowohl an den klimatischen wie geologischen Gegebenheiten Frankens, dass hier – vermeintlich einfachere- weiße Rebsorten einen guten Stand haben (auch hier im wahrsten Sinnes des Wortes). Zwar wenig Säure, dafür subtile Würze und eine reiche Fruchtigkeit und Saftigkeit, das macht sie zu angenehmen, manchmal auch unterschätzten Weinen.
Wie viele dieser Rebsorten sind aber auch sie anfällig für Überzeichnungen. So werden viele dieser Trauben bei zu großer Konzentration – sei es klimatisch oder kellertechnisch bedingt – zu „breitschultrig“. Oder finden Sie Arnold Schwarzenegger als Mister Universum etwa ästhetisch?
So ähnlich müssen Sie sich derart überinterpretierte Weine vorstellen. Sie werden eindimensional und alkohollastig. Ich bin der Meinung, dass ein Weißwein nicht nach Banane schmecken sollte und dabei „Kirchenfenster“ mit 14 % plus ins Glas zaubert. Um es mit Shakespeare zu halten, wirkt dann dieses Kultgetränk in seiner unerfreulichen Weise …
Silvaner in seiner erfreulichsten Weise ist dagegen - trotz höherer Werte - mineralisch, klassisch nach Heu und Birne durftend und dabei saftig mit animierendem Trinkfluss. Dabei ist es fast unerheblich, ob der Ausbau klassisch oder wie bei manchen jungen Talenten deutlich innovativer von Statten geht. In dieser Eleganz, eben auch verbunden mit einer reifen, aber eher verhaltenen Säure, sind sie zunehmend gefragtere Essensbegleiter, gerade unter dem Aspekt der Säure.
Im Übrigen schadet Reifung dem Silvaner nicht. Ähnlich wie die weißen Burgunder in Baden sind diese eher subtilen Rebsorten auch hervorragende Interpretative ihrer Böden. Auch ist insbesondere bei Silvaner wie Burgunder der Reifeverlauf harmonisch. Deshalb bereitet er über Jahre ein durchgehend konstantes Trinkvergnügen, ohne dass auf einen optimalen Zeitpunkt gewartet werden muss. Merke: Reife des Weines - nicht Überreife im Wingert!
Gerade dort, wo die Grand cuisine ihre wahre Größe zeigt, ist Silvaner bei den Weißen – wie auch der Spätburgunder bei den Roten – der Matchplayer. In Franken kann man für den Silvaner im Zusammenspiel von Klima, Boden und Winzerkunst eindeutig sagen: never change a winning team.

Weingut Rainer Sauer, Escherndorf

Die Qualitäten dieses Weingutes sind unbestritten. Und so natürlich wie auch schlüssig erlebt man Rainer Sauer. Er muss nicht einmal vor die Tür seines Weingutes treten, um „Aug in Aug“ mit der Lage zu stehen, in der seine Spitzen-Silvaner wachsen. Sei es traditionell im früheren Eulengrund oder mittlerweile sehr naturnah im Lump zum Fürstenberg hin.
In kaum einem anderen Weingut dieser Größe wird man eine solche Vielfalt von Silvanern antreffen, wie hier in Escherndorf. Dies hat aber auch seinen Grund. Neben der noch jungen Mitgliedschaft im VDP hat er mit seinem Sohn Daniel ein Energiebündel, das mit seinen Ideen Tradition und internationalen Anspruch selbstbewusst zu verbinden weiß. Ob Ei oder „Freiraum“, sind es alles eigenständige zeitgenössische Interpretationen von Frankens Rebsorte Nr. 1.  Die Weinkritik ist bereits seit längerem Fan aller Produkte aus diesem Hause. Man mag kaum glauben, dass eine solche Spannbreite von gekonnter (!) Weininterpretation innerhalb eines Betriebes möglich ist. Aber so spannend die Interpretationen der klassischen Weine aus diesem Betrieb auch sind, man wird kaum ein weiteres Gut in Franken finden, das sich so sehr einer Rebsorte mit über 60 Prozent Flächenanteil verschrieben haben. Die Vielzahl der Prämierungen für diese Kunstwerke spricht dabei seine eigene Sprache.
Senior Rainer sieht dabei den eigenen Weg seines Juniors, lässt ihm aber auch offensichtlich die nötigen Freiheiten. Zu sprechen war der Youngster bei unserem Besuch leider nicht, war er doch am Vorabend mit weiteren Weinenthusiasten zur Stippvisite 'gen Burgund aufgebrochen....

Restaurant- und Übernachtungstipps vom Rainer Sauer:

Gasthaus Krone, Escherndorf, www.krone-escherndorf.de
Landgasthof Schwab, Schwarzach, www.landgasthof-schwab.de
Pension Nunn, Escherndorf, www.domizil-nunn.de

Weingut Max Müller, Volkach

Wir sind bei Station 5 unserer Pilgerreise angekommen. Rainer schätzt auch Rainers Weine! Nein, wir beobachteten keine Selbstgespräche. Zwischen dem Nachwuchs der Winzerfamilien Rainer Sauer aus Escherndorf und Max Müller I, Volkach, gibt es regen Austausch. Hier existiert einen Ort nebenan mit Christian Müller aus dem Hause Max Müller I ein weiteres junges Talent, das bereits einiges im heimischen Betrieb umgekrempelt und auf die Beine gestellt hat. Für sein Alter erstaunlich tough, verlässt er sich in weiten Teilen auf sein Bauchgefühl. In Fass wie Winzern brodelt es so zeitweilig gleichermaßen.
Ausgestattet mit einem für uns überraschenden Portfolio hervorragender Steillagen in Escherndorf und Volkach, hat dieser Betrieb sehr gute Rahmenbedingungen, unabhängig von der Lagenstilistik das Optimum in den Jahrgangsspitzen auszuloten. Vater Rainer steht seinen Söhnen an Dynamik und Energie in keinster Weise nach. So ist der konsequente Aufstieg dieses Weingutes in den vergangenen zehn Jahren weniger Zufall als Verdienst der Eltern von Christian und Toni Müller.
Fast exotisch, aber durchaus schlüssig ist der Einsatz einer kurzbeinigen Schafsgattung, mit der die Wildkräuter im Wingert kurzgehalten werden. So reiht sich diese Information in die vielen Aussagen ein, dass hier Lage und Boden als nachhaltiges und langfristig zu pflegendes Kapital verstanden wird. Ein Zertifikat hierfür ist dabei oftmals Nebensache, trotzdem ist diese Philosophie zum Entstehen guter Weine eine Selbstverständlichkeit.
Nicht zuletzt sollte von dieser Familie Sohn Toni nicht unerwähnt bleiben, der bereits bei sehr namhaften deutschen Winzern Erfahrungen sammeln konnte und derzeit in Geisenheim seinen weiteren beruflichen Schliff erhält. Da bleibt es spannend die weitere Entwicklung dieser Brüder im Auge zu behalten.

Restaurant- und Übernachtungstipps vom Reiner Müller:

Gasthaus Behringer, Volkach, www.hotel-behringer.de
Restaurant Kings & Queens, Schweinfurt, www.kings-u-queens.de
Hotel am Torturm, Volkach, www.hotel-am-torturm.de
Hotel Kreuzer, Volkach, www.hotelkreuzer-volkach.de

Weingut Paul Weltner, Rödelsee

"Nichts für Einsteiger" steht ausgerechnet auf der letzten Seite des Hausprospektes dieses letzten Weinguts unserer Reise. Dem ist dennoch einiges hinzu zufügen. Unwirtliches Wetter empfing uns, als wir mit Paul Weltner zu den Hängen des Schwanberges herausfuhren.
Seit fast zehn Jahren geht er kompromisslos seinen Weg und stellt sich auch aktuell noch Fragen, die für ein Weingut mit mittlerweile nationalem Renommée, schon fast ehrenrührig sind. Z. B. ob weiterhin ein Großes Gewächs aus Riesling zur Angebotspalette gehören soll. Ein hoch bepunkteter Wein, der kristallklar mit großer Spannung Frucht und Terroir gleichermaßen verbindet.
Eine sehr stringente Sortimentspalette mit einem eindeutigen Bekenntnis zum Silvaner (der in diesem Betrieb über 50 % der Anbaufläche ausmacht) ist daher nur konsequent - so wie jeder einzelne Wein aus der aktuellen Kollektion.
Die Faszination dieser Weine besteht darin, dass hier Fruchtaromen neben Terroir-Ausdruck schwebend neben einander erfahrbar sind. Im weiteren Beobachten der Weine im Glas entwickelt sich ein Changieren, ein Spiel in den Nuancen, wie man sie sonst in der Natur z. B. bei einem mehrfarbigen Turmalin beobachten kann. Klarheit, Eindeutigkeit und Intensität sind Ausdrücke, die ich mit diesen Weinen verbinde. Daneben sind aus den jeweiligen Weinen die Qualitätsstufen der VDP-Pyramide gleichermaßen stringent nachzuvollziehen.
Und auch Freunde eines betonteren Fruchtausdruckes (traditionell wie auch modern) werden hier bei Sauvignon wie Scheurebe fündig...

Restaurant- und Übernachtungstipps vom Paul Weltner:

Restaurant Winzerstube, Rödelsee, www.winzerstube-schwanfelder.de
Restaurant Falken, Mainbernheim, www.zum-falken.de
Hotel Stegner, Rödelsee, www.hotel-stegner.de