Brancaia kann Merlot und Sangivoese! 

Das zeigen die Topweine Il Blu aus Radda und die Gran Selezione aus Castellina

Foto oben: Besitzerin Barbara Widmer mit ihrem Blu-Rotwein, bei dem sie keine Kompromisse macht. Foto unten: Die Ausstattung und die Wertigkeit transportieren die besondere Qualität der Gran Selezione Chianti Classico 

Brancaia ist ein Schweizer Uhrwerk, wo jedes feinste Rädchen ins andere greift. Übers fantastische „Packaging“ sollte man auch bei den vielen schlechten Beispielen ein paar Worte verlieren, sowie über die Erfolgsgeschichte von mehr als 30 Jahren. Doch ich möchte heute über Merlot und Sangiovese berichten; zwei große Rebsorten des Chianti und ihren Audruck in Radda und Castellina in Chianti!
Barbara Widmer ist eine kompetente wie stringente Gesprächspartnerin. Nach gut einer Stunde habe ich alles erfahren, was ich nach einigen Besuchen in den letzten 20 Jahren teils auch wieder vergessen hatte. Einzig bedauerlich ist, dass ich nicht vor Ort mit Barbara in ihrer Osteria im Weingut speisen konnte, denn auch hier zeigt sich die Klasse und Finesse des Hauses Brancaia. Andererseits blieb so wenigstens das Auto sauber, denn ohne die staubigen „Strada bianche“ zu benutzen, gelangt man nicht zum Weingut….
Daneben besitzt Brancaiai ein zweites Weingut in der Maremma. Aber das thematisieren wir ein anderes Mal; dort wird natürlich auch Merlot angebaut, doch nur mit einem Anteil von 12%. 

Merlot in Radda ist besonders

In Radda hält er sich mit 45 % Anteil fast die Waage mit dem Sangiovese. Dieser rassige, säurebetonte Merlot ist der Hauptbestandteil des berühmten Topweines Il Blu! Sein Anteil im Blend mit Sangiovese und Cabernet wurde Jahr für Jahr gesteigert, so dass mit dem 2018er – übrigens der Jubiläumswein mit dem 30. Jahrgang - stolze 80% erreicht wurden. Das prägt den Wein, der nach Brancaia-Philosophie so spät wie möglich mit den anderen Sorten vermählt wird. 40 Jahre alte Reben, karge Böden und ideale Höhenlage sind die unumstößliche Grundlage für die besondere Qualität des Merlot und des Il Blu für Brancaia.
Mit dem Jahrgang 2019 ist ein zweiter Topwein - nach reiflicher Abwägung und Hinterfragen - ins Sortiment aufgenommen worden, der die Weiterentwicklung im Hause Brancaia und auch im ganzen Chianti eindrucksvoll belegt. Die Gran Selezione Chianti Classico ist ein Wein, der aus einer Einzellage in Castellina in Chianti stammt. 

Castellina für die Gran Selezione 

Schon im Jahre 1981 haben die Eltern von Barbara den Weinberg erworben, iin dann im Jahre 1999 neu bepflanzt, mit Klonen des CC 2000 Projektes und eigenen Klonen. Warum dieser Weinberg ausgewählt wurde? Die Entscheidung fiel nicht leicht, und wer weiß, ob sich in Zukunft nicht noch ein zweiter GS-Wein dazugesellt. Denn das Spiel der Gemeinden ist faszinierend. In Radda sind die Sangiovese-Weine etwas säurebetonter, in Castellina dagegen zeigen sie eine andere, etwas komplexere Aromatik und sind auch etwas fülliger, weil die Böden tiefgründiger sind und etwas tiefer liegen (250-350 m). Demzufolge werden die Weinberge in Castellina auch etwas früher geerntet als in Radda.
In einem Einzellagenweinberg zeigen sich die Unterschiede am deutlichsten; das macht einen Teil der Faszination aus. Verglichen mit dem 2019er zeigt der 2020er etwas mehr Tiefe, weil es ein etwas wärmeres Jahr war.
Erfreulich ist es für alle Winzer, dass im Chianti bereits im August die kühlen Abende beginnen, bei denen man sich gerne einen Pulli am Abend überzieht. Das sorgt für die einzigartige Frische im Chianti im Gegensatz zu Montalcino oder der Maremma. Und es begünstigt die Aromenbildung in einzigartiger Weise, ganz egal ob die Sorte Merlot oder Sangiovese ist.

Keinen Kompromiss in der Qualität

Andererseits sorgen diese Anbaubedingungen für teils erhebliche Schwankungen bei der erzeugten Menge, zumindest in der qualitätsbesessenen Philosophie von Brancaia. So wurde in manchen Jahren wie 2012 oder 2017 vom Blu und den anderen Topweinen nur ein Drittel der Menge erzeugt, was selbstredend empfindliche Einbußen auf der Einnahmeseite nach sich zieht. Doch unabhängig davon hat Barbara Widmer sich dem Einzellagen-Konzept der Gran Selezione zugewandt, und freut sich auf die Entwicklung des Sangiovese in den nächsten Jahren. Dass auch der Merlot als Rebsorte – nach einigen kritischen Stimmen und Jahren – wieder mehr Beachtung in der Toskana erhält, ist ein weiterer Grund zur Freude. Ohnehin ist es bei den Topweinen, die alle in der Zuteilung sind, für Brancaia schon Jahre ein bestelltes Feld. 
Eine wichtige Frage für viele ist der Zeitpunkt für den perfekten Trinkgenuss der Topweine von Brancaia. Unterscheiden sich Merlot und Sangiovese hinsichtlich dieser Frage? Eher nicht! Nach Barbaras Einschätzung soll auch die Gran Selezione ein Wein sein, der bereits in der Jugend seine Trinkfreude besitzt. Wer jedoch warten kann, der kann sich nach 12-18 Jahren mit der Komplexität und Finesse belohnen, welche die minutiöse Arbeit von Brancaia mit sich bringen. Diese Rotweine können sich bis zu 30 Jahren schön entwickeln - und das kann mitunter spannend sein, aber das ist nicht Barbaras Vorliebe, und meine übrigens auch nicht! Weitere Erfahrungsfelder eröffnen sich zu der Kunst von Brancaia im Ausbau von Merlot und Sangiovese im Chianti Classico mit 100% Sangiovese (ohne Holzausbau) und in der Riserva (mit 20% Merlot).