Roberto Anselmi – Ein Mann geht seinen Weg!

Die Weißweine von Anselmi aus dem Veneto spielen in einer eigenen Liga

Foto oben: Turbo-Roberto Anselmi auf seinem Turbo-Grasmäher  - Foito mit Luigi Veronelli aus den frühen Achtzigern, das zwischen anderen auf dem Konferenztisch von Roberto Anselmi in seinem Weingut liegt. Foto unten: Auch mit einigen Jahren Flaschenreife schmecken die Capitel-Weine Croce und Foscarino hervorragend, Weingenuss aus Italien!

Diese Geschichte wird wild! Auch nach 30 Jahren als Weinschreiber lässt einen der Besuch bei Roberto Anselmi in Soave, nein - im Nachbarort Monteforte d’Alpone nicht unberührt. Der Mann strotzt mit seinen 75 Jahren vor Energie, dass einem schwindlig werden kann. Sohn Tommaso, Schwiegertochter Martina und Tochter Lisa erleben das Tag für Tag bei ihrer Arbeit, denn „it’s family business“. Dabei mutet die Kellerei an, als ob es ein Riesenweinunternehmen wäre, so weitläufig ist die Fläche der Gebäude. Doch es sind wahrlich heilige Hallen mit viel Raum für die vergleichsweise wenigen Flaschen aus den 70 ha Weinbergen; stolze 35 ha davon in Eigenbesitz. 
Die ihn kennen, stimmen dem zu, was es über sich selbst frei heraus sagt: Ich bin ein wenig verrückt, kreativ und zweifelsohne rebellisch. Und noch ein Satz schwingt lange nach: „Le cose van fatto“. Die Dinge, die anstehen, werden erledigt, wenn sie auch noch so groß sein mögen bzw. es Bedenken gibt. 
Mit dieser Haltung hat Robert seit seinem Eintritt in den Familienbetrieb vor über 50 Jahren sein Leben und seine Arbeit bewältigt. Ohne jeden Zweifel zählt er zu den ganz großen Pionieren und Charakterköpfen des italienischen Weines. Seine Unruhe und Schaffensdrang mit seiner „cura per il dettaglio“ haben dies alles möglich gemacht. 

Capitel Croce und Foscarino

Seine „Augäpfel“, der Capitel Croce und der Capitel Foscarino werden sage und schreibe seit dem Jahr 1982 erzeugt, es sind heute international renommierte Weißweine. Es sind auch historische und sehr geschätzte Lagen des Soave-Anbaugebietes, mit denen Roberto früh seinen eigenen Weg des IGT Veneto eingeschlagen hat. Garganega ist für ihn unbestritten die Rebsorte der Wahl, Hauptbestandteil der beiden Weine. Trebbiano hat er nie in Betracht gezogen. Bis zum Jahre 2013 arbeitete er beim Foscarino mit etwas Chardonnay, danach ergänzen kleine Anteile an Riesling, Sauvignon Gris, Incrocio Manzoni, Goldtraminer den Foscarino-Blend. So genau wollen wir das gar nicht wissen…

Erst kürzlich schauten die französischen Besitzer von Chateau Palmer und Yquem für einen Besuch vorbei - und wahrscheinlich hat Roberto sie mit seinem eigenen Hubschrauber am Flughafen von Venedig abgeholt. Doch wenden wir uns vom „glamour“ wieder den Weinen und ihrem nimmermüden Motor zu: Robert erzählt von seinen Zukunftsplänen, davon, dass er 100.000 Reben resistenter Sorten im Foscarino-Weinberg, einem der höchsten Hügel des Monteforte-Territoriums, gepflanzt hat. „Nach diesem regenreichen Frühjahr komme ich sonntags hierher und mähe das Gras“, erzählt Roberto und fährt mich mit seinem Allrad in Schräglage durch die Reben. Den ganzen Hügel mit seinen mehr als 30 ha Fläche hat er einzäunen lassen, damit die Tierwelt draußen bleibt…

Terroir und Garganega

Sohn Tommaso, 40 Jahre, hat die Verantwortung für die Weine inne, seine bedachte Hand ist ein wichtiger Gegenpol zum Sturm und Drang seines Vaters. Mit einer akribischen und sorgsamen Kellerarbeit entstehen die beiden Weinbergsweine Croce und Foscarino und der Basiswein San Vincenzo Jahr fürs Jahr in einer Konstanz, denen man auch ein heißes und trockenes Jahr wie 2022 kaum anmerkt. Bei einem der beiden Capitel-Weine ist Holz mit im Spiel, doch dies ist im Terroir-Konzept von Anselmi eher nachrangig. 
Sein ganzes Wirken ist auf die Weißweine und ihr Lagencharakter fokussiert, was zweifelsohne ein weiterer Punkt für die Ausnahmestellung im Veneto ist. Denn viele seiner Nachbarn sind auf den erfolgreichen Zug des Amarone aufgesprungen, was für Roberto so gar nicht in Frage kommt. Da nimmt er kein Blatt vor den Mund – ich verzichte auf den Originalton an der Stelle - was er davon hält. Sein Cabernet Franc sei nur eine Spielerei. Anders die hohe Kunst seines Süßwein-Strebens, das im Anbaugebiet des Recioto di Soave eine lange Tradition besitzt. Mit dem „I Capitelli“ legt er – von allen anerkannt - die Latte für sämtliche Süßweine in Italien sehr hoch. Sein Interesse gilt nicht nur guten Weinen, sondern - wen wundert es in Italien - dem Sterne-Essen sowie der modernen Kunst und auch den Maschinen mit viel Power - wie er sie hat - zu Land, zu Wasser und in der Luft... Diese Leidenschaft teilt auch Tochter Lisa, die sich den Themen Marketing und Export widmet.

Heilige Hallen und heilige Berge

Übrigens gibt es auf der Webseite anselmi.eu nur die Heiligen Hallen zu sehen: mehr Infos zu den Weinen und dem Weingut sucht man hier vergebens. Die bebaute Fläche ist deshalb so riesig, weil der Großvater dort bis zu 15 Mill. Flaschen pro Jahr abfüllte; doch das waren andere Zeiten…

Am Ende ist es vielleicht auch eher zweitrangig, ob der eine Wein auf kalkhaltigen Böden und der andere auf Vulkangestein wächst. Denn die Weine verkörpern bei weitem mehr als nur diesen Aspekt, und sprechen für sich mit ihrer ruhigen, fast sanften Energie, die gepaart mit ausdrucksstarken Aromen auch ein Bild von der Familie Anselmi zeichnet. Wen es dennoch interessiert, der merke sich Croce wie „Calcareo“ als Eselsbrücke in Abgrenzung zum Foscarino mit dem vulkanischen Terroir. Croce ist dabei nur 1,5 km vom Foscarino-Hügel entfernt! In den Verkauf kommen die Capitel-Weine übrigens im April des auf die Ernte des folgenden Jahres, und werden dann bereits von vielen sehnlichst erwartet. Partner von Anselmi in Deutschland ist seit vielen Jahren Consiglio Vini Weinhandel.